Trabant nT – Es blieb bei einem Prototypen – aber wer weiß?

Auf der IAA 2009 sorgte der New Trabant mit Elektromotor für Wirbel. Mit dem nahenden Mauerfalljubiläum erhält der Erfinder wieder Anfragen. Doch was wurde aus der Idee?
Ein Artikel von Marie Löwenstein/Zeit online | 03. Oktober 2014 – 08:56 Uhr

„Möglichst nah dran am Original und möglichst weit weg.“ So fasst Ronald Gerschewski das Konzept des New Trabant (nT) zusammen. Was zunächst paradox klingt, ergibt Sinn: ein Auto, das traditionelles Design mit moderner Antriebstechnik verbindet – eine Elektrovariante des DDR-Kultautos. Auf der IAA 2009 hatte Gerschewski, Geschäftsführer des sächsischen Karosseriebetriebs Indikar, den Trabant nT erstmals als Konzeptfahrzeug präsentiert.
Die mediale Resonanz war gewaltig. Zwölf Fernsehsender von allen Kontinenten buhlten um Indikar: „Es war ein unfassbarer Rummel. Sie überrannten unseren kleinen Stand förmlich“, erzählt Gerschewski. Von einem im Idealfall möglichen Start 2012 war damals die Rede, Indikar veröffentlichte damals das Ergebnis einer IAA-Besucherumfrage, wonach 98 Prozent der rund 7.000 befragten Besucher sich wünschten, dass der Trabant in der modernen Form wieder auf den Markt kommt.
Fünf Jahre später ist es ruhig um die nT-Pläne geworden. In der Schublade verstauben sie aber nicht. Noch immer bekommt Gerschewski mehrmals wöchentlich Anfragen von Interessenten, gerade jetzt, wo sich das Mauerfalljubiläum nähert. Aus anfänglichen Gesprächen mit deutschen Automobil-Großinvestoren wurde bisher nichts. Dafür melden sich vermehrt branchenfremde Geldgeber, wie der Indikar-Chef sagt.

Wer genau das ist, will Gerschewski nicht preisgeben. Unter anderem riefen viele
ausländische Interessenten bei dem Unternehmen in der Nähe von Zwickau an – auf der Suche nach einer freien, emotional aufgeladenen Marke, mit der sie technische Innovationen präsentieren könnten.

„Zeichen des Aufbruchs“
Emotional aufgeladen ist der Trabi allemal. „Wenn man ihn gepflegt und geliebt hat, lebte er lange. Er war das Auto der Arbeiter, unverwüstlich und günstig“, sagt beispielsweise Wolfgang Kießling. Er ist Vorsitzender des Verbandes Intertrab in Zwickau, der die Rechte der Marke Trabant heute hält.
Das Auto mit den Kulleraugen ist für Kießling nicht nur das ostdeutsche Pendant zum Käfer, sondern auch ein Symbol für die Wiedervereinigung. Kießling klingt zwar etwas bekümmert, wenn er von an der Grenze zurückgelassenen Trabis erzählt, aber er sagt auch:
„Das Schönste an den Tagen nach dem Mauerfall war für viele, den Trabant plötzlich am Hamburger Hafen, auf den Autobahnen und in Westberlin herumfahren zu sehen.“
Auch Gerschewski ist überzeugt davon, dass die Marke Trabant 25 Jahre nach dem Mauerfall hauptsächlich positiv besetzt ist – in Ost und West. Viele hätten das Auto zwar eine technische Katastrophe gefunden, aber eben auch sympathisch: „Der Trabi war ein Zeichen des Aufbruchs aus der DDR.“ Dass die Idee zu dem New Trabant ausgerechnet vom bayerischen Modellautohersteller Herpa kam, ist dem Indikar-Chef ein Beleg für die Beliebtheit des Autos auch in Westdeutschland. Schließlich ist der Miniatur-Trabi einer von Herpas meistverkauften Artikeln.

Eine der wenigen negativen Konnotationen, die Menschen heute mit dem Trabi verbinden, ist laut Gerschewski sein Ruf als „knatternder Stinker“. Doch gerade hier könne die moderne Technologie einhaken, ein Elektro-Trabi wäre schließlich leise und umweltfreundlich. Gerschewski sieht darin keinen Bruch mit der Tradition, sondern in gewisser Hinsicht sogar eine Fortsetzung. Der Trabant war zwar von der DDR Mangelwirtschaft geprägt, aber gerade deswegen auf seine Weise innovativ: „In der DDR fehlte es an Materialien. So bestand die Trabi-Karosserie – ganz modern – zu großen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Baumwolle oder Kautschuk“, erzählt Gerschewski.

Als künftige Nutzer des nT sieht er nicht nur Liebhaber, sondern auch Unternehmen, die mit einer umweltfreundlichen Trabi-Flotte auf sich aufmerksam machen wollten. Einige Anfragen, etwa von Energiedienstleistern oder Tourismusfirmen, habe es schon gegeben. Unter den Privatkunden spräche der Elektro-Trabi eher wohlhabende Familien an, die sich ein Zweitauto für den Stadtverkehr zulegen wollten – etwa um die Kinder zur Schule
oder zum Sport zu fahren. Auf Langstrecken hätte der nT dasselbe Problem, das alle rein batterieelektrisch betriebenen Autos zurzeit plagt: einen begrenzten Aktionsradius. Der Prototyp 2009 enthielt Lithium-Ionen-Akkus, die im Optimalfall eine Reichweite von 160 Kilometern boten.
Fünf Jahre nach der Präsentation auf der IAA ist das Konzept von Indikar heute nicht mehr auf dem modernsten Stand der Technik. Doch Gerschewski hofft, dass gerade die ElektroInnovationen der vergangenen Jahre die Umsetzung doch noch möglich machen. „Wir haben unsere Vision der Serienfertigung nicht selbst verwirklichen können. Dafür fehlt uns als Mittelständler einfach das Geld“, räumt er ein. „Aber das Konzept an sich würde ich noch nicht ganz abschreiben.“

Die eingefleischten Trabi-Fans hat der nT jedenfalls schon mal auf seiner Seite. Wolfgang Kießling von InterTrab etwa würde es freuen, wenn die Marke so erhalten würde: „Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass der nT noch kommt“, sagt er. „Aber wenn, lege ich mir sofort einen zu.“


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